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Elisabeth Mann (1901–1996)

Die Malerin, Kunstgewerblerin und Pädagogin Elisabeth Mann wurde am 6. September 1901 als drittes Kind von Dr. Friedrich Mann, Direktor der Landesfrauenklinik Paderborn, und seiner Frau Elisabeth geboren und wuchs in Paderborn auf. Als Jugendliche zog es sie zum Studium der Kunst und Kultur in die Ferne. Dabei wechselte sie mehrmals, bedingt durch politische Wirren und existenzielle Not, ihren Studienort. Ihrer Heimat blieb sie fast drei Jahrzehnte eng verbunden. Zwischen den Aus­bildungsabschnitten kehrte sie stets nach Paderborn und zum Elternhaus zurück. Hier konnte sie ihre neugewonnenen Eindrücke in der Malerei, der Musik und im Theater erproben.

Ihr Beruf führte sie schließlich im April 1938 nach Marburg, wo sie ihre Stelle als Kunsterzieherin an der Staatlichen Elisabethschule antrat (1938-1963, seit 1956 Oberstudienrätin und Fachleiterin für Kunst am Studienseminar Marburg). In Marburg fand sie Zeit, die Erfahrungen des langjährigen Studiums zu verarbeiten, Anre­gungen weiterzuentwickeln, diese in persönlichen und in schulischen Pro­jekten zu verwirklichen und mit Begeisterung an ihre Schülerinnen zu vermitteln. Ihr abwechslungsreiches Leben, ihre Person und ihr gesell­schaftliches Engagement unter anderem auch im Marburger Kunstverein spiegeln sich in ihrem stilistisch und thematisch vielseitigen Œuvre wider.

Ausbildung und Berufseinstieg zwischen zwei Weltkriegen

Als Elisabeth Mann ihren Schulabschluss am Lyceum erwarb, befand sich Deutschland mitten im Ersten Weltkrieg. Die politischen Umstände ver­anlassten sie zunächst, Textilgestaltung an der Kasseler Kunstgewerbeschule zu lernen. Am 19. April 1921 siedelte sie zum Kunststudium nach Düs­seldorf um und besuchte dort die vom Maler Hans Carp gegründete private Kunstschule. Keine zwei Jahre später zwangen die politischen Ver­hältnisse sie zum Abbruch der Ausbildung und zur Rückkehr nach Paderborn. Mit dem Ziel, einen Berufsabschluss zur Sicherung der eigenen Existenz zu erlangen, zog sie 1924 nach Weimar. Bei Margarete Neumann legte sie ein Jahr später an der kunstgewerblichen Schneiderwerkstatt ihre Gesellenprüfung als Schneiderin ab. Die Ortswahl brachte weitere Vor­züge. So konnte sie neben ihrer Ausbildung Abendkurse am Bauhaus besuchen, Anregungen im Herzen eines modernen, schöpferischen Kunst­zentrums sammeln, Kontakte mit namhaften, am Bauhaus tätigen Künst­lern wie Klee, Feininger oder Kandinsky knüpfen und sich auf die Auf­nahme an der Münchener Kunstakademie vorbereiten.

Nach einem Kurzaufenthalt im heimischen Paderborn realisierte sie ihren Plan und siedelte am 31. Oktober 1927 nach München über. Dort vertiefte sie ihr Kunststudium (Zeichenunterricht bei Professor Julius Diez; Vorlesung über plastische Anatomie bei Professor Monier) und sammelte Eindrücke in der Münchener Kulturszene. Der Studienaufenthalt war je­doch von kurzer Dauer. Bereits am 15. Oktober 1928 meldete sie sich in Paderborn ab und zog nach Berlin, um sich dort schließlich ihren in­zwischen klar definierten Berufswunsch als Kunsterzieherin zu erfüllen. Ambitioniert legte sie zunächst an der Staatlichen Kunstschule Berlin das Examen als Werklehrerin ab. Es folgten 1929 die Prüfungen zur Kunster­zieherin (2. Staatsexamen) und 1933 zur Studienassessorin. Die Berliner Ausbildungsjahre an der von Fritz Karsen gegründeten Reformschule wirkten sich prägend auf ihre pädagogischen Ansätze aus.

Allerdings sollte wieder die politische Situation ihren Werdegang ein­schneidend beeinträchtigen. Die Nationalsozialisten bewirkten die Auflösung der Karl-Marx-Schule und ihre Entlassung aus dem Staatsdienst. 1934 wurde sie wieder in den Schuldienst aufgenommen. Es folgte eine kurzzeitige Anstellung in Berlin-Lichtefelde, bevor sie nach Fulda an das private Gymnasium der Englischen Fräulein (Marienschule) wechselte. 1938 ordnete die nationalsozialistische Regierung die Schulschließung an. Elisabeth Mann ging am II. Oktober 1937 von Fulda nach Eschwege, um dort für kurze Zeit am Oberlyceum zu unterrichten. Schließlich wech­selte sie im April 1938 an die Marburger Elisabethschule, wo sie engagiert ihre Lehrtätigkeit bis zu ihrem Ruhestand 1963 ausüben konnte.

Das Marionettentheater stellt eine Konstante in Elisabeth Manns Leben dar, die sich von Paderborn über alle späteren Stationen ihrer Lehrtätigkeit erstreckt. In Berlin, Fulda, Eschwege und Marburg (Elisabeth Mann: Marionetten­spiel der Elisabethschule, in: Marburger Presse (25.2.1950), Nr. 48) ini­tiierte sie zusammen mit ihren Schülerinnen solche Puppenspiele. Über viele Jahrzehnte entstanden auf ihren transportablen Bühnen fast jährlich neue, oft gemeinsam mit ihren Schülerinnen präsentierte Marionetten­spiele, die meist auf Texten ihrer Kollegin und Freundin Dr. Erika Essen basierten. Zu den größeren Aufführungen zählte die nach dem Volks­buch von 1587 gestaltete und für eine derartige Darbietung besonders ge­eignete Faustsage. Die fantastischen Handlungen des Stoffes ließen sich in dieser Theaterform mit stilisierten und fantasievollen Charakterköpfen ge­heimnisvoll und symbolisch umsetzen.

Ihr malerisches Werk

Blick in die Rittergasse. (30cm x 44,5cm)

Die Person Elisabeth Mann, ihr Leben und ihr facettenreiches, künstleri­sches Werk sind eng miteinander verknüpft. Die Motive wählte sie meist aus ihrem direkten Umfeld. Sie basierten häufig auf persönlichen Erfah­rungen, die sie klar formuliert mittels weniger Linien und gezielter Farb­akzente in ihren Bildern, in Bleistiftskizzen, Porträts und Landschaftsbil­dern in Öl, in Aquarell- sowie Tuschzeichnungen. In expressionistischer Malweise schildert sie ungeschönt den brutalen Kriegsalltag und dessen Auswirkungen auf die Bevölkerung, die Besatzungszeit, aber auch das ländliche, teils idyllische Leben.

Neben profanen Inhalten widmete sich Elisabeth Mann als gläubige Katholikin auch sakralen Themen: Aus der Nachkriegszeit stammen die Federzeichnung »In Gottes Hand« (65x79cm; Krypta der Marburger Kirche St. Peter und Paul, 1946) und ein vierzehnteiliger Kreuzweg im Kirchenraum von St. Martin in Wehrda (Wasserfarbe, Kohle, 53x93 cm). Auch diese Werke zeugen von ihrer kritischen, klar konturierten Bild­sprache.

Mit ihrer Pensionierung konnte sie sich verstärkt der Malerei und ihrer Reiseleidenschaft widmen. Impressionen aus anderen Ländern treten neben heimische Motive. 1966 fertigte sie in Erinnerung an die ehemalige Elisabethschule eine großformatige, teils mit Kreide kolorierte Kohlezeich­nung des historischen Schulgebäudes (1879–1956 Nutzung als Schulge­bäude) in seiner belebten Umgebung. Wahrend diese Komposition noch durch klare Konturen beherrscht wird, weisen ihre späteren, ebenfalls ex­pressionistischen Bilder in den 80-er Jahren einen gewandelten Duktus auf: Landschaften wie die verschneite Szenerie mit »Wintersonne« (1982) leben von breiten, kräftigen Farbstrichen.

Inspiriert von den Eindrücken und Erfahrungen auf ihren Spanienrei­sen publizierte sie 1974 unter dem Titel »Sprechsituationen in Spanien« ein Lehrbuch. Anhand von Zeichnungen und Texten erstellte sie für Rei­sende eine situationsbezogene Einführung in die spanische Sprache. Ob­wohl es sich vorrangig um ein Sprachlehrbuch handelt, stehen die detail­reichen, charakteristischen Zeichnungen von Land, Leuten und Kultur im Vordergrund und erleichtern auf eine liebeswürdige, sensible, humorvolle Art den Zugang zur fremden Kultur.

Erst im hohen Alter wurde ihr malerisches Werk in zwei Ausstellun­gen, 1986 in Marburg und 1994 im Schartenhof in Eckelshausen, gewür­digt. Mit 94 Jahren verstarb Elisabeth Mann am 4. Januar 1996 in Marburg.

Seit 2017 besitzt die Elisabethschule neben dem großen Gemälde der alten Elisabethschule in der Aula zwei weitere Aquarelle Elisabeth Manns, die die ehemalige Schülerin der Elisabethschule und Freundin Elisabeth Manns Agnes Weisgerber der Schule geschenkt hat. Sie hängen gut sichtbar für die Schulgemeinde seit März 2021 im Sekretariat der Schule.


Dr. Claudia Rust, in:

Das andere Leben. Rückblick auf Marburger Künstlerinnen. Herausgegeben von Irene Ewinkel. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 105. 365 S. Rathaus-Verlag Marburg 2015. ISBN 9783942487061. 16,80 Euro, S. 239–251