ab 1957: Elisabethschule an der Schwangasse
Neubau der Elisabethschule an der Schwangasse
"... daß Geist und Herz gebildet werde!"
OP, 16. Juli 1957
Eröffnungsfeier mit Kultusminister Dr. h. c. Arno Hennig — Begrußung durch Oberbürgermeister Gaßmann — Geschenk des Regierungspräsidenten
Knapp zwei Monate nach der vierten (der Berufsfachschule für Mädchen) konnte gestern die fünfte innerhalb von vier Jahren in Marburg eröffnet werden: die neue Elisabethschule an der Schwangasse. Zu einer kurzen Feierstunde hatten sich neben dem Lehrerkollegium, den Vertretern anderer Schulen, der Stadtverwaltung, des Magistrats, der Behörden, des Stadtelternausschusses und des Elternbeirates der Elisabethschule und anderen Gästen auch der hessische Minister für Erziehung und Volksbildung, Dr. h.c. Arno Hennig, sowie Regierungspräsident Dr. Hoch (Kassel) eingefunden, die von Oberbürgermstr. Gaßmann als 'Hausherrn' besonders begrüßt wurden. Es dürfte eine sehr bemerkenswerte Tatsache sein, daß es das finanzarme Marburg fertiggebracht hat – wenn auch mit Hilfe einer verständigen Regierung -‚ neue, große Schulen zu erbauen. In allen Ansprachen, die während dieser gestrigen Feierstunde gehalten wurden, kam die große Freude über diesen Schritt in der Entwicklung des Schulbauwesens in Marburg zum Ausdruck und der Dank an alle, die ihre Kräfte zum Gelingen dieses Werkes eingesetzt haben.
Nach einem einleitenden Lied des Schulchores unter Leitung des Musiklehrers, Studienrat Dr. Bernhard Muhlack begrüßte Oberbürgermeister Georg Gassmann die Gäste, insbesondere den hessischen Minister und den Regierungspräsidenten. Er nannte diesen Tag ein besonderes Fest und sprach seine Genugtuung aus, daß in Marburg innerhalb von vier Jahren die fünfte neue Schule eröffnet werden kann. Er erwähnte allerdings auch die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, um dieses. Ziel zu. erreichen. Sein Dank galt insbesondere dem hessischen Minister für Erziehung und Volksbildung, der sich den Belangen der Stadt Marburg in kultureller Hinsicht stets aufgeschlossen zeigt, aber auch allen anderen, die zum Gelingen des Baues beigetragen haben.
In einem kurzen Abriß nannte er die Stationen die zur heutigen Elisabethschule führten: den Zusammenschluß 1878 der beiden privaten höheren Mädchenschulen, die 1858 und 1869 gegründet waren, und die ein Jahr spätere Umbildung in die Städtische höhere Mädchenschule (1879), den Namen „Elisabethschule“ erhielt sie 1912. Zwölf Jahre später (1924) wurde daraus ein Staatliches Lizeum, erst 1954 wieder Städtische höhere Mädchenschule. Mit der gestrigen Einweihung selbst aber ist nur der Anfang des vorläufig letzten Schrittes getan worden. Denn noch immer warten 300 Schülerinnen der unteren Klassen auf den Umzug in ein neues Heim, nachdem nur die Oberstufe (rund 500 Schulerinnen) in den Neubau einziehen können. Im zweiten Bauabschnitt sind der Bau der Turnhalle und des Sportplatzes vorgesehen, während erst im dritten Abschnitt an den Erweiterungsbau gedacht ist. Aber der zweite Abschnitt soll, wie der Oberbürgermeister versicherte, noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden.
„Möge ein guter Geist in dieses schöne und moderne Haus einziehen!“ Mit diesen Worten schloß der Oberbürgermeister seine Begrüßungsrede.
Der Minister, für Erziehung und Volksbildung, Dr. h.c. Arno Hennig, bekannte mit Stolz, daß seit der Währungsreform im Lande Hessen mehr Schulraum gebaut wurde als vorher in einem ganzen Jahrhundert, und daß das Land jetzt über mehr Raum verfüge als vor dem Kriege. Hennig kündigte an, daß in etwa zwei Jahren die Not des Schichtunterrichts in Hessen beseitigt sein werde. Dann könne man mit größerer Energie auch an die Senkung der Klassenfrequenz herangehen. Vom nächsten Jahr ab werde sein Ministerium ausdrücklich auch diesem Übelstand die besondere organisatorische und finanzielle Aufmerksamkeit widmen.
Der große Zuschuß der Regierung für diesen Neubau sei nur möglich gewesen, sagte Hennig, weil man sich von dem schematischen Verteilungsschlüssel frei gemacht habe. In Marburg sei ein solcher Zuschuß immer gut am Platze; die alte, ehrwürdige Universität sei geradezu verpflichtend, Marburg mehr als anderen Städten auf kulturellem Gebiet zu helfen.
Auf die Bildungspläne des hessischen Kultusministeriums eingehend, stellte Hennig ausdrücklich fest, daß diese Pläne nicht eingeführt, sondern für zwei Jahre zur Erprobung freigegeben seien. „Die Pädagogik muß sich auf fünfzig Jahre voraus orientieren!“ sagte der Minister. Und es sei das Anliegen des Ministeriums, dem Menschen des Jahres 2000 gerecht zu werden.
Die Schule nannte der Minister nicht eine Stätte der Ausbildung sondern der Bildung, wobei der Weg nach Innen der wichtigere und von der Abkehr vom materiellen Denken abhängig sei. Ganz nach dem Vorbild der ungewöhnlichen Frau, deren Namen diese Schule trägt, der heiligen Elisabeth. Denn wichtiger als der Bau sei das, was darin geschieht, daß der Geist und das Herz gebildet werde.